OKT.
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Das Ende der Fahnenstange?

Zu Beginn unserer Geschäftstätigkeit konnte man sich sein Geschäftsfeld in der Museumswelt noch selber aufbauen. Man suchte sich eine Nische und besetzte sie. Mit einer Portion Blauäugigkeit, etwas Mut und gesundem Menschenverstand versuchte man mit und für die Kunden Aufgaben zu lösen. Der Klimawandel war erst ein marginales Thema und die Klimaforderungen für Museen und deren Depots wurden munter weiter verschärft und kaum hinterfragt. Von giftigen Substanzen in Sammlung sprach nur eine Handvoll Spezialisten. Man hatte im Wesentlichen noch vertretbare Ansprüche und war sich zuweilen noch bewusst, dass meistens die öffentliche Hand (also wir als Steuerzahler) die gestellten Rechnungen beglich.

Vieles hat sich seither verändert, wobei man sich zusehends von der Realität entfernte. Es geht nicht mehr darum Lösungen zu finden, sondern Verantwortungen abzuschieben, alles mögliche und unmögliche möglichst lückenlos zu dokumentieren und möglichst keine Entscheidungen mehr zu treffen (dafür heuert man Berater an, die eigentlich Entschiedungen per Definition nicht treffen können). Strategien, Konzepte, Berichte und Machbarkeitsstudien traten an die Stelle des pragmatischen Handelns. Manch ein Projekt versandete über die Jahre und Firmen werden zum wiederholten mal angefragt Grundlagen für den nächsten Anlauf zu erstellen. Geld war und ist (trotz lautem Geklöne) offenbar immer noch genügend da, von der Energie schon gar nicht zu sprechen (sie ist ja auch schon wieder billiger geworden).

Ans Ende der Fahnenstange sind wir derweil noch lange nicht angelangt. Da würde man aus erhöhter Warte den Weitblick sowohl zeitlich wie auch geographisch haben, um zu sehen, dass Museen und deren zuweilen überfüllten Depots bei weitem nicht so bedeutend sind, wie gewisse Beteiligte weiten Kreisen glaubhaft machen möchten. Bescheidenheit ist ohnehin derzeit nicht gefragt. Zaghaft versuchen mittlerweilen auch Museen Energie zu sparen (es macht sich gut), um gleich an anderer Stelle mit fragwürdigen Neubauten, Erweiterungen und Renovationen noch grössere Flächen zu klimatisieren und noch mehr Leute von Nah und (v.a.) Fern in die Häuser zu locken. Man ist stolz auf die grossen Leuchtturmprojekte und demnächst werden wir wohl von einer Art "Overtourism" in Museen hören. Nur das Beste ist uns gut genug - und wer denkt schon an die kleinen, unscheinbaren Museen in der Provinz, die mit banalen Alltagssorgen kämpfen?

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JUNI
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Bescheidenheit ist wohl keine Museumstugend

Die Kassen sind leer und dennoch überzieht die Kultur wacker ihre (Bau-)Budgets um grosse Summen. Warum ist eine angemessene Bescheidenheit in diesem Sektor so selten anzutreffen? Liegt es an der mangelnde Sorgfalt bei der Planung oder der Tatsache, dass Museen und Sammlungen immer wieder Maximalforderungen stellen, welche zu hinterfragen sich selten jemand wagt. Die Summen sind zum Teil schwindelerregend, aber die öffentliche Hand ist (bislang) stets bereit, Geld nachzuschiessen. Kein Sektor im Bauwesen ist wohl so von Kostenüberziehungen betroffen wie die Kulturbauten, was bekanntlich nicht nur Museen, sondern auch Theater und Musikhäuser betrifft. Es geht aber letztlich noch viel weiter. Ist es so erstaunlich, dass das Kunsthaus Zürich unlängst feststellte, dass seine Betriebs- und insbesondere die Personalkosten seit Inbetrebnahme des neuen sogenannten Chipperfield-Erweiterungsbaus - welche eine Überraschung - markant gestiegen sind? Wusste man dies nicht bereits, als man sich entscheid grösser zu werden? Da helfen auch grosszügige Spenden und Sammlungen nur wenig - am Schluss ist es die öffentliche Hand, welche gerade stehen muss. Museen müssen sich wahrlich fragen, welches ihre Rolle und ihre Bedeutung ist und ob die Gesamtgesellschaft wirklich willens ist, diese stetig steigenden Aufwendungen auch in Zukunft weiter so grosszügig zu tragen. Wäre da nicht einen Bescheidenheit gefragt; eine Fokussierung, die nicht nach dem allgemeinen Motto "grösser ist besser" geht? Wir werden uns in Anbetracht vielfältiger anderer Aufgaben in Zukunft nicht mehr alles leisten können. Umso mehr erscheint es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, was und wieviel davon uns wirklich wichtig ist.
 
Dazu zwei jüngst erschienene Artikel aus der deutschsprachgen Presse:
 
 Pergamonmuseum Berlin

"Die Sanierung des Berliner Pergamonmuseums droht erneut teurer zu werden. Das Budget von fast 490 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt ist nahezu ausgeschöpft. Das geht aus Unterlagen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Demnach liegt die Kostenprognose nur noch etwa 1,5 Millionen Euro unter dem Budget. »Das Risiko für einen weiteren Nachtrag ist hoch«, notierte das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bereits im September.

Ob der Kostenrahmen inzwischen gesprengt ist, ist nicht bekannt: Es ist laut Stiftung derzeit unklar, ob ein weiterer Nachtrag nötig sei. Es gab bereits zwei Nachträge für diesen Bauabschnitt, der unter anderem den Pergamonsaal und die Mschatta-Fassade umfasst. Zudem ist die beabsichtigte teilweise Wiedereröffnung des Museums am 13. April 2027 möglicherweise durch die Kündigung einer Baufirma gefährdet. Man habe den Plan nun verdichtet, heißt es in den Papieren, es könnten schon »kleine Verzögerungen direkt auf den Endtermin durchschlagen«. Laut Stiftung soll der Abschnitt wie geplant wieder eröffnen. Die Sanierung des gesamten Museums bis frühestens 2037 soll 1,5 Milliarden Euro kosten."

Aus: Der Spiegel, 17.05.2024

Kunsthaus Zürich

"Die Pandemie, ein Brandfall im Packraum des Altbaus und die Kontroversen um die Sammlung Bührle: In der jüngeren Vergangenheit kämpfte das Kunsthaus wiederholt mit Schwierigkeiten. Nun hat das Museum finanzielle Probleme. Das zeigen die Zahlen des Jahresberichts 2023. Die Zürcher Kunstgesellschaft, die als Trägerverein des Museums figuriert, ist mit rund 4,5 Millionen Franken in den roten Zahlen.

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MäRZ
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Wieviel Kulturgut tut einer Kultur gut ?

Dem ungebremsten Anwachsen von Sammlungen stehen zwei wichtige Faktoren entgegen: die knapper werdenden finanziellen Mittel der öffentlichen Hand zur Erhaltung, Pflege, Erforschung und Nutzung der Sammlungsobjekte sowie die stark zunehmenden Aufwendungen, vor allem getrieben durch die stetig steigenden Technik- und Energiekosten. Zukünftig wird die Sammlungstätigkeit daher nicht mehr nur vom Wunsch nach Vergrösserung und Vervollständigung einer Sammlung geprägt sein, sondern die Frage nach der Tragbarkeit der nötigen Infrastruktur wird an Bedeutung gewinnen. Kann der angemessene Betrieb einer Infrastruktur nicht gewährleistet werden, müssen neue Strategien gefunden und umgesetzt werden, um das Gesamtziel – die Überlieferung von relevantem Kulturgut an künftige Generationen – nicht zu gefährden. Die aktive Bewirtschaftung von Sammlungen, mithin auch deren Reduktion zugunsten des Gesamten, ist eine denkbare und zukunftsweisende Strategie. Jede Erweiterung der Depotkapazität muss daher einhergehen mit der Überprüfung der eigenen Sammlungsstrategie und deren langfristigen operativen Umsetzbarkeit.

Überfüllung

Zentraldepot der Landeshauptstadt München, mit Hinweisschild vom Oktoberfest.

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