Integrated Pest Management (IPM)
"Wenn die Motten für ihre Sammlung schwärmen"
Der englische Begriff "Integrated Pest Management" (IPM) bezeichnet die ganzheitliche Betrachtung der Schädlingsproblematik in einer Institution. Im wesentlichen handelt es sich um drei Hauptaspekte:
- Verhindern eines Schädlingsbefalls durch Vorbeugung (Prävention)
- Überwachen der Situation bezüglich Schädlingen – Erkennen eines Befalls (Monitoring)
- Bekämpfen eines Schädlingsbefalls
Das Wort "integrated" im Begriff "Integrated Pest Management" weist darauf hin, dass vorbeugende Massnahmen eine Angelegenheit aller Mitarbeiter sind. Grundlegend ist, dass jeder Mitarbeiter ein Bewusstsein dafür entwickelt, das ein Schädlingsbefall ein Problem darstellt und daher unbedingt Massnahmen erforderlich sind. Nicht „jemand“ betreibt IPM, sondern alle Mitarbeiter eines Hauses sind daran beteiligt durch geeignetes Verhalten und Reagieren sowie durch Umsetzen von Massnahmen jeder Art im Rahmen des IPM.
Insektenfrass an einem Federponcho. (Foto: Prevart)
Die Schädlingsvorbeugung ist ein Bestandteil der sogenannten Präventiven Konservierung, welche sich mit den Umgebungsbedingungen des Objekts auseinandersetzt, während die Schädlingsbekämpfung ein Eingriff am Objekt ist und daher den konservierenden Massnahmen zuzuordnen ist.
Schädlinge im Kulturgüterbereich
Unter Schädlingen werden jene biologisch aktiven Lebewesen verstanden, welche direkt oder indirekt über kurze oder längere Frist zur Zerstörung eines befallenen Gegenstandes führen. Dabei werden v.a. vier verschiedene Schädlingsgruppen unterschieden:
- Bakterien (Zersetzung des Materials)
- (Schimmel-)Pilze (Zersetzung des Materials)
- Insekten (strukturelle Schädigung durch Frass)
- Nagetiere (strukturelle Schädigung durch Frass)
Schimmelbefall auf Leder (Foto: Prevart)
Prävention
Vorbeugende Massnahmen dienen stets dem Verhindern eines Schädlingsbefalls und eines daraus kurz- oder langfristig resultierenden Schadens am Objekt.
Vorbeugende Massnahmen können sein:
- Dauerhafte Ordnung und Sauberkeit am Aufbewahrungsort der Objekte
- Angemessene Umgebungsbedingungen am Aufbewahrungsort (Klima, Luftwechselrate, Licht)
- Betriebliche Massnahmen, um zu verhindern, dass durch Neuzugänge und Ausleihen von Objekten Schädlinge in Depots, Ausstellungen und Arbeitsräumen eingeschleppt werden (klare Kontrollabläufe, gegebenenfalls Quarantäne).
- Einbezug des Aspekts der Schädlingsverhütung bei der Planung und Umsetzung von (Um-)Bau- und Umlagerungsmassnahmen sowie von Ausstellungen (z.B. Holz für Ausstellungsgestaltung)
Eine Maus hat sich im wahrsten Sinne des Wortes durch eine Fahne hindurchgefressen. (Foto: Prevart)
Überwachung der Schädlingssituation (Monitoring)
Ziel einer kontinuierlichen Überwachung ist es möglichst frühzeitig einen Befall zu erkennen. Voraussetzung dazu ist eine regelmässige Reinigung der Depot-, Ausstellungs- und Arbeitsräume, um einen (Neu-)befall möglichst präzise zeitlich eingrenzen und erkennen zu können. Bleiben tote Schädlinge, Exkremente etc. liegen, lassen sich alte und neue Indizien eines Befalls nicht mit der erforderlichen Schärfe unterscheiden.
Die genaue Bestimmung der auftretenden Schädlinge sowie der Umfang eines Befalls ermöglichen es, die konkrete Gefahr für die betroffene Sammlung einzuschätzen und gegebenenfalls geeignete Massnahmen einzuleiten (siehe Bekämpfung).
Bekämpfung eines Schädlingsbefalls
Die Bekämpfung von Schädlingen erfordert die frühzeitige und genaue Kenntnis eines Befalls, die idealerweise aus einem systematischen Monitoring mit regelmässigen Kontrollen (z.B. monatlich) hervorgeht. Art und Umfang des Befalls sowie die betroffenen Objektgruppen und deren Zustand bestimmen die zu ergreifenden Massnahmen. In jedem Fall erfordert die Bekämpfungsmassnahme Fachkenntnisse sowohl bezüglich der Behandlungsmethoden wie auch des Material- und Objektverhaltens der betroffenen Sammlungsbestände.
Sinnvollerweise werden für die Bestimmung des Befalls wie auch für die Festlegung und Durchführung geeigneter Bekämpfungsmassnahmen ein ausgewiesene Spezialisten mit Erfahrung im Museums- und Archivbereich zugezogen.
Nach jeder Bekämpfungsmassnahme müssen alle Objekte gereinigt werden von allfälligen Schädlingsresten, um in Zukunft einen Neubefall erkennen zu können. Im Weiteren ist auch die Behandlung mit ausgeführten Massnahmen und Datum schriftlich zu dokumentieren.
Mottenfrass an einem Wollstoff (Foto: Prevart)
Methoden zur Schädlingsbekämpfung
Folgende Behandlungsmethoden kommen grundsätzlich In Frage:
Thermische Methoden:
A.) gezielte Erwärmung des Objekts auf eine Kerntemperatur von ca. 55-60°C bei kontrollierter Feuchte (+- konstante relative Feuchtigkeit)
Ziel: Zerstörung des Lebewesens durch thermische Zersetzung von tierischem Eiweiss
Zeitaufwand: 24-48 Stunden pro Durchgang.
B.) gefrieren des Objekts in kurzer Zeit auf mindestens -20°C
Ziel: durch die überraschende Abkühlung (Schockgefrieren) dehnt sich das Volumen unverdauter Nahrung im Körper des Lebewesens aus und sprengt die Hülle des Lebewesens. Dies funktioniert nur, wenn das Lebewesen keine Zeit mehr hat sich zu entleeren. Die Kühlzelle/-truhe muss daher schnell heruntergekühlt werden auf mIndestens -18°C und darf nicht zu stark befüllt werden.
Zeitaufwand: 48-72 Stunden pro Charge in mehreren Durchgängen
Chemisch-physiologische Methoden:
A.) Sauerstoffentzug durch Verdrängung mit Stickstoff (N2) oder Kohlendioxid (Co2) mit dem Ziel, die Atmung der Tiere zu unterbinden. Die Zelle oder das Zelt müssen gasdicht sein, um den Sauerstoffgehalt über die gesamte Behandlungsdauer konstant tief zu halten.
Ziel: Unerbinden der Atmung
Zeitaufwand: 4-6 Wochen (je nach Temperatur, dabei muss der Sauerstoffgehalt gewisse Grenzen während der gesamten Behandlungsdauer unterschreiten)
B.) Behandlung mit chemischen Substanzen (Giften)
Wird heute nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen eingesetzt.
Ziel: Möglichst selektive Abtötung von von Schädlingen.
Zeitaufwand: sehr unterschiedlich
Mobile Schädlingsbekämpfung in einem "Bubble" durch Sauerstoffentzug über 4-6 Wochen. (Foto: Museum Joanneum, Graz)
Die Behandlung mit Giften wird heute wenn immer möglich vermieden, da eine Gefährdung für Mensch und Umwelt nicht ausgeschlossen werden kann. Pestizidrückstände auf behandelten Objekten und Einrichtungen gelten z.T. als Kontamination und sind ein Gesundheitsrisiko. Zuweilen sind dies auf Jahrzehnte zurückreichende Altlasten.
Bestrahlung der Objekte
Bestrahlung durch ionisierte Strahlung (z.B. Gammastrahlen) oder Mikrowellen. Diese Methoden werden nur in Ausnahmefällen angewandt, sind aufwändig, relativ teuer und können ausschliesslich durch Spezialisten mit besonderer Befähigung ausgeführt werden und schädigen nach bisherigem Forschungsstand historische Objekte.
Ziel: Möglichst selektive Abtötung von von Schädlingen.
Zeitaufwand: relativ gering (v.a. Vorbereitung)
Diverse Reduktionsmethoden
Einsatz von mechanische Fallen (z.B. Mausefallen), Klebefallen, Geruchsfallen, Köderfallen etc.
Ziel: Reduktion bzw. Elimination der Schädlingspopulation
Zeitaufwand: sehr unterschiedlich, mittelfristig wirksam
Einsatz von Nützlingen, um die Schädlinge zu dezimieren oder zu eliminieren. Dabei ist darauf zu achten, dass vom „Nützling“ keine andere, unerwünschte (schädigende) Wirkungen für die Objekte ausgehen kann (z.B. Nützling wird zu einem Schädling oder zu einem Schädlingswirt für Lebewesen, die eine andere Objektgruppe gefährden).
Ziel: Gezielte Nutzung von Parasiten
Zeitaufwand: sehr unterschiedlich, mittelfristig wirksam
Absaugen von mit Schimmel befallenen Objekten (oder Einrichtungsgegenständen)
Ziel: Reduktion der Anzahl lebender Individuen bzw. Sporen, um die Objektschädigung bzw. die Gesundheitsgefährdung zu verringern. Eine vollständige Entfernung des Schimmels ist nicht möglich, da das Mycel in das Material eindringt. Unter ungünstigen klimatischen Bedingungen besteht auch bei gereinigten Objekten, die Gefahr eines erneuten Schimmelwachstums.
Zeitaufwand: relativ gross, verbunden mit erheblichen Schutzmassnahmen für die Ausführenden
Die gesamte Sammlung musste gereinigt und der Raum nachgebessert werden. (Foto: Museum)
Was wir Ihnen bieten können
Wir analysieren gemeinsam mit Ihnen die Situation ihrer Institution und erarbeiten mit Ihnen ein IPM- Konzept für das Schädlingsmonitoring und das Verhalten im Falle eines Befalls.
Wir beraten Sie beim Aufbau einer geeigneten Infrastruktur für ein systematisches Monitoring bzw. eines Netzwerks zur Schädlingsbekämpfung.
Wir schulen ihre Mitarbeiter bzgl. der Schädlingsproblematik und bauen ein Bewusstsein für die Schädlingsproblematik unter den Mitarbeitern auf.
Wir beraten Sie bei der Evaluation und Umsetzung weiterer Schritte.
Wir bringen im Planungsprozess für Museen und Archive unser Know How bezüglich der präventiven Konservierung und des IPM ein.
Zur Beachtung
Wir sind keine Firma, die Schädlingsbekämpfungen selber ausführt. Wir unterstützen Sie jedoch darin, nach Möglichkeit den Schädling zu bestimmen, die relevanten Fragen zu stellen sowie (anbieterneutral) geeignete Personen und Firmen für weitere Schritte zu finden.
Ansprechpartner: Karin von Lerber (Dipl. Rest. FH, Museumsberaterin), Joachim Huber (Museumsberater)