Bescheidenheit ist wohl keine Museumstugend
"Die Sanierung des Berliner Pergamonmuseums droht erneut teurer zu werden. Das Budget von fast 490 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt ist nahezu ausgeschöpft. Das geht aus Unterlagen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Demnach liegt die Kostenprognose nur noch etwa 1,5 Millionen Euro unter dem Budget. »Das Risiko für einen weiteren Nachtrag ist hoch«, notierte das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bereits im September.
Ob der Kostenrahmen inzwischen gesprengt ist, ist nicht bekannt: Es ist laut Stiftung derzeit unklar, ob ein weiterer Nachtrag nötig sei. Es gab bereits zwei Nachträge für diesen Bauabschnitt, der unter anderem den Pergamonsaal und die Mschatta-Fassade umfasst. Zudem ist die beabsichtigte teilweise Wiedereröffnung des Museums am 13. April 2027 möglicherweise durch die Kündigung einer Baufirma gefährdet. Man habe den Plan nun verdichtet, heißt es in den Papieren, es könnten schon »kleine Verzögerungen direkt auf den Endtermin durchschlagen«. Laut Stiftung soll der Abschnitt wie geplant wieder eröffnen. Die Sanierung des gesamten Museums bis frühestens 2037 soll 1,5 Milliarden Euro kosten."
Aus: Der Spiegel, 17.05.2024
Kunsthaus Zürich
"Die Pandemie, ein Brandfall im Packraum des Altbaus und die Kontroversen um die Sammlung Bührle: In der jüngeren Vergangenheit kämpfte das Kunsthaus wiederholt mit Schwierigkeiten. Nun hat das Museum finanzielle Probleme. Das zeigen die Zahlen des Jahresberichts 2023. Die Zürcher Kunstgesellschaft, die als Trägerverein des Museums figuriert, ist mit rund 4,5 Millionen Franken in den roten Zahlen.
Die Verschuldung ist in den letzten zwölf Monaten um mehr als 1,5 Millionen Franken angestiegen. Die Einnahmen durch Eintrittstickets sind rückläufig. Sie reduzierten sich gegenüber dem Jahr 2022 von 5,2 auf 4,6 Millionen Franken. Auch die Erträge im Museumsshop sind gesunken, nämlich von 2,38 auf 2,1 Millionen Franken. Ebenso die Einnahmen durch die Kunstvermittlung, die von 660 000 auf 525 000 Franken zurückgegangen sind.
Das erstaunt einigermassen. Zu erwarten wäre, dass das Kunsthaus Zürich durch den Chipperfield-Erweiterungsbau und die Zugänge der Sammlungen Bührle, Merzbacher und Looser seit Herbst 2021 an Attraktivität zugelegt hat. Das Jahr 2022 war als das erste volle Betriebsjahr des erweiterten Kunsthauses mit 555 529 Eintritten tatsächlich ein Rekordjahr, was die Besucherzahlen betrifft. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 504 349 Eintritte. Das entspricht einem Rückgang von 9,2 Prozent.
Der Besucherschwund wird im Jahresbericht des Kunsthauses auf den Rückgang der Neugier bezüglich Chipperfield-Bau und der darin untergebrachten neuen Sammlungen zurückgeführt. Der neue Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, Philipp Hildebrand, gibt sich dennoch zufrieden. Für das erweiterte Kunsthaus seien ursprünglich 400 000 Eintritte angepeilt worden.
Mehr Personalaufwand
Tatsache ist, dass der Betrieb des Kunsthauses seit Eröffnung des Chipperfield-Baus Verluste einfährt. Ein Grund für den Publikumsrückgang dürfte nicht zuletzt auch bei den Ausstellungen liegen. Eine veritable Blockbuster-Schau gab es seit der Erweiterung des Kunsthauses nicht.
Auf einiges Interesse stösst immerhin die Neupräsentation der Sammlung Bührle mit 500 bis 1000 Besuchern pro Tag. So gehört das Kunsthaus Zürich nach wie vor zu den meistbesuchten Museen der Schweiz. An den fehlenden Eintritten allein kann es also nicht liegen, dass das Kunsthaus immer tiefer in die roten Zahlen rutscht.
Hauptursache für die Verschuldung des Kunsthauses ist eine Zunahme der Kosten. Das ist auch auf einen erhöhten Bedarf an Personal zurückzuführen. «Ein neues Museum, das doppelt so gross ist wie das alte, bringt neue und oft unerwartete Herausforderungen mit sich», schreibt Philipp Hildebrand im Vorwort des Jahresberichts. Personal- und Betriebsaufwand sind um rund 1,5 Millionen Franken gestiegen.
Zugenommen haben allerdings auch die Gelder der öffentlichen Hand. Die Stadt Zürich erhöhte ihre Unterstützung gegenüber dem Vorjahr teuerungsbedingt um rund 300 000 Franken. Jährlich steuert die Stadt 13,3 Millionen Franken bei. Das ist fast die Hälfte der Gesamteinnahmen des Kunsthauses von 28,6 Millionen. Bereits zur Eröffnung des Kunsthaus-Erweiterungsbaus im Oktober 2021 wurden die städtischen Subventionen erheblich angehoben, nämlich um 4,5 Millionen Franken.
Unabhängige Beratung
Um die Auswirkungen des doppelt so grossen Museumsbetriebs in den Griff zu bekommen, hat sich das Kunsthaus bei der Beratungsfirma Boston Consulting Group Hilfe geholt, wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist. Dabei verfügt die Kunstgesellschaft mit ihrem neuen Präsidenten selber über einen Finanzexperten. Der Ex-Nationalbank-Chef und Blackrock-Banker Philipp Hildebrand kündete an: «In den kommenden Jahren werden Schritte unternommen, um die immensen Auswirkungen dieser physischen Erweiterung auf den Betrieb und die Finanzierung des Museums zu bewältigen.»
Neben einer neuen Strategie beim Fundraising wird das Kunsthaus Sparmassnahmen vornehmen, die ausgerechnet das so umworbene Publikum zu spüren bekommen wird. So sollen die Öffnungszeiten am beliebten Mittwochabend verkürzt werden. Auch ist eine Erhöhung der regulären Eintrittspreise, der Tarife von privaten Führungen und der Gebühr für die Nutzung des Audioguides vorgesehen.
Die finanziellen Herausforderungen werden jedenfalls auch in naher Zukunft gross bleiben. In wenigen Jahren sollen die Gebäudeteile von Moser, Müller und Pfister den Nachhaltigkeitskriterien angepasst werden, die bereits für den Chipperfield-Bau umgesetzt wurden."
Neue Zürcher Zeitung, 21.05.2024
Es braucht dringend eine breite und ergebnisoffene Diskussion um Sinn und Unsinn immer aufwändigerer und kostspieligerer Kulturbauten, welche eigentlich schon heute auf "Pump" und zu Lasten kommender Generationen entstehen oder erweitert werden. Was es braucht sind Investitionen in die Qualifikation unserer Museen und Sammlungen und nicht in erster Linie in deren Vergrösserung. Nicht derjenige soll das Geld erhalten, der am lautesten schreit nach "mehr", sondern derjenige, der eine langfristige Perspektive für Museen (inkl. Sammlungen!) aufzeigt, welche gesellschaftlich akzeptiert und finanziell auch langfristig tragbar ist.
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