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Der Mythos vom Passiv-, Nullenergie- oder Plus-Energie-Depot

Passiv-, Nullenergie- oder Plus-Energie-Depot sind Schlagwörter in aller Munde. Schaut man sich die Sache jedoch genauer an, dann kann man bei Depots, die mit diesen Labels versehenen sind heute bestenfalls von (verhältnismässig) Niedrigenergiedepots sprechen. Meistens wird der Energieverbrauch übers Jahr und die Energieproduktion vor Ort (z.B. durch Photovoltaik) miteinander verrechnet und schwups wird die Energiebilanz ausgeglichen oder gar positiv und das Depot "passiv". Dies ist ein Trugschluss, denn die heutigen Depots benötigen Energie zum Betrieb ihrer haustechnischen Anlagen - auch in Zeiten mit ausbleibender oder geringer Eigenproduktion elektrischer Energie vor Ort. Wir sind also zeitweise abhängig von ausserhalb produzierter, zugeführter Energie. Zudem funktioniert das "System Depot" ohne Energiezufuhr z.B. für Entfeuchtung oder Temperierung im schlechtesten Fall gar nicht. Langfristig gesehen (über Jahrzehnte oder Jahrunderte), gehen wir daher ein beträchtliches Risiko ein, dass das Klima im Innern eines Depots bei einem länger andauernden Stromausfall oder bei einem Ausfall der technischen Installationen ins Schlechte kippt. 

Historische Aufbewahrungsorte von Kulturgut (Bibliotheken, Archive, Schatzkammern - von Depots sprach zu deren Entstehungszeit noch niemand) verfügten gar nicht über die uns heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten. Sie waren im wahrsten Sinne "passiv", wenn man davon absieht, dass sie durch Menschen sporadisch betreten, behutsam gelüftet und regelmässig gepflegt wurden. Sie lagen an sinnvollen, oft erhöhten Orten vor Naturgefahren und Feuchtigkeit angemessen geschützt. 

Wir haben wahrscheinlich in den vergangenen 50 Jahren in unseren Depots mehr Kulturgut verloren oder geschädigt durch Fehlfunktion bzw. Ausfall aktiver Klimmaanlagen, als dass wir an Lebenserwartung für die Sammlugsobjekte dazugewonnen hätten. Insbesondere auch, wenn man miteinbezieht, dass mit der Technikgläubigkeit früher selbstverständliche Kontrollgänge durch Mitarbeiter unterblieben und Misstände (z.B. Wassereinbruch) bzw. Fehlfunktionen (z.B. Dauerbefeuchtung) und Ausfälle technischer Anlagen (z.B. ausbleibende Entfeuchtung) oft über längere Zeit unentdeckt blieben - mit zuweilen verheerenden Auswirkungen. Dazu hat auch beigetragen, dass durch überbordende Sammlungstätigkeit vermehrt Aussendepots angelegt wurden, welche nur sporadisch begangen und kontrolliert wurden. Personelle Ressourcen wurden zudem in die Ausstellungstätigkeit verlagert.

In Zeiten von Klimawandel und Energeiknappheit * ist eine Umorientierung dringend erforderlich hin zu vernünftigen Depotkonzepten, welche im schlechtesten Fall auch über längere Zeit ohne energieabhängige Technik auskommen, sowie trocken und schädlingsfrei bleiben.

* Vielleicht brauchen wir die verfügbare Energie und ggf. auch jene Energie, die auf dem Dach eines Depots produziert wird, dereinst für andere, wichtigere oder gar lebensnotwendige Aufgaben.

Nicht delegieren können wir die Verantwortung der Institutionen und MitarbeiterInnen für die betreuten Sammlungen und die Aufgabe stets mit offenen Augen durch unsere Sammlungen zu gehen, sie angemessen aufzubewahren sowie sie ordentlich und sauber zu halten.

Das Ende der Fahnenstange?
 

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Samstag, 26. April 2025